Zölle sind Hürden, keine Mauern: Warum der US-Markt für EU-Tech weiterhin unverzichtbar ist
Die letzten Wochen hört man oft über europäische Firmen, die mit Vorsicht in die USA exportieren. Nun stellt sich die Frage, ob die jüngsten Zölle tatsächlich die Stimmung und Exportfreude der europäischen Technik-Firmen negativ beeinflussen.
Die Fakten sprechen eine andere Sprache: Das bilaterale Handelsvolumen zwischen der EU und den USA belief sich 2024 auf über 1,2 Billionen US-Dollar. Tatsächlich ist es so, dass im Schnitt für Elektronik- und Elektrotechnikprodukte 15% zusätzliche Zölle anfallen. Doch bei einem US-Automatisierungsmarkt von über 58 Milliarden US-Dollar mit prognostiziertem jährlichen Wachstum von >10% bis 2030 relativiert sich diese Hürde schnell.
In meiner Karriere als US-Geschäftsführer einer österreichischen Firma in Amerika haben wir uns bewusst dafür entschieden, Listenpreise um +14.75% anzupassen, um zuletzt auch Zölle, aber auch Währungskursschwankungen zu kompensieren. In der Regel haben unsere Kunden die Preisanpassung durchaus akzeptiert – von vielleicht 100 Kunden hat sich lediglich ein Kunde kritisch zu der Preiserhöhung geäußert.
Dies ist ein Beispiel dafür, dass es mit den Zöllen und der Sachlage in den USA durchaus Bewusstsein für höhere Listen- oder Marktpreise gibt. Das heißt wiederum für europäische Firmen, die in die USA exportieren, dass der Markt nach wie vor hohes Potenzial an Neugeschäft bietet, obwohl die Zölle die subjektive Wahrnehmung des US-Marktes etwas dämpfen.
Der Amerika-Faktor: Mehr als nur USA
Wie auch in vorigen Beiträgen schon beschrieben, hat sich der US-amerikanische Markt durchaus durch höhere Margen und Marktpreise auch in der Vergangenheit bewährt. Was viele übersehen: Der US-Handel mit Lateinamerika erreichte 2024 ein Volumen von über 800 Milliarden US-Dollar, wobei Mexiko allein für über 600 Milliarden Dollar steht.
Das heißt für europäische Hersteller, dass sich nach wie vor für Nischenprodukte, die nicht lokal beheimatet sind, eine massive Chance bietet, weiterhin Marktanteile zu gewinnen. Oftmals bieten sich über die USA Projektgelegenheiten, die letztlich in Südamerika, Zentralamerika oder gar Kanada münden, da die manuelle Wertschöpfung nach wie vor in Niedrigpreisländern stattfindet, jedoch das Intellectual Property (IP) in den USA verwaltet wird.
Konkrete Zahlen: Der brasilianische Automatisierungsmarkt wächst mit 8,5% jährlich, Mexikos Industriesektor verzeichnet 12% Wachstumspotenzial, und Argentinien investiert mit einem $33 Milliarden Paket massiv in Infrastruktur-Modernisierung. Mit einem starken Footprint in den USA verdeutlichen Hersteller ihr Commitment zum gesamten nord- und südamerikanischen Markt, während durch die Marktnähe zu Märkten wie Mexiko, Peru oder Argentinien künftige Projekte und Kundenanfragen einfacher abgewickelt werden können.
Die Zukunft beginnt jetzt
Auch wenn die Trump-Präsidentschaft die Zoll- und Handelspolitik sehr ungewiss gestaltet, bietet sich meiner Voraussicht nach in 2028 ein neues Weltbild, das auch neue Chancen und Opportunities für ausländische Firmen schaffen wird. In welchem Ausmaß, ist zwar noch unbekannt, jedoch müssen Technik-Firmen aus dem Ausland jetzt die Grundsteine für die Zukunft in den USA und ganz Amerika legen.
Die Quintessenz:Denn eins ist sicher: Die Konsumenten und Kunden in den USA warten nicht darauf, dass ausländische Hersteller und Importeure die Kosten für die Zollpolitik ihres Präsidenten tragen. Wer heute zögert, verliert morgen Marktanteile an jene, die bereits vor Ort sind. Der amerikanische Markt verzeiht keine Passivität – aber er belohnt Präsenz. Und in einem Markt, der sich mit über 10% jährlich erweitert, bedeutet Warten nicht Stillstand, sondern Rückschritt.
Die Frage ist nicht ob, sondern wann Sie Ihren US-Footprint etablieren. Ihre zukünftigen Wettbewerber haben diese Entscheidung bereits getroffen.